«Süt»
Ruhiger Film über eine Jugend in der türkischen Provinz
NÜRNBERG - Vom Milchmann zum Bergmann: Der Filmemacher Semih Kaplanoglu erzählt im zweiten Teil seiner mit «Yumurta» («Ei», vorgestellt beim Nürnberger Filmfestival Türkei/Deutschland) begonnenen Trilogie behutsam vom Erwachsenwerden in der Provinz.
Der Filmtitel «Süt» bedeutet Milch und darum dreht sich im Haushalt der hübschen alleinerziehenden Zehra alles. Zusammen mit ihrem 20-jährigen Sohn Yusuf melkt sie drei Kühe, dann wird Quark zubereitet, und im Morgengrauen fährt sie Yusuf mit dem Beiwagenmotorrad auf den Markt der Provinzstadt, an deren Rand ihr Minibauernhof steht. Den Beruf «Milchmann» verpasst sich Yusuf ironisch, als sich ein junges Mädchen, das er anlässlich seiner Musterung in einer Buchhandlung in Izmir kennenlernt, danach erkundigt. Denn eigentlich ist Yusuf Dichter, einer, der sogar schon etwas veröffentlicht hat. Doch so weit ab vom Schuss, in einer Weltecke, in der Archaik und Moderne noch eng beieinander hausen, haben Vollzeitlyriker einen schweren Stand.
Hübsche Bilder
Das gilt vermutlich auch für Autorenfilmer wie Semih Kaplanoglu, deren anspruchsvolle Erzählweise wenig gemein hat mit dem Augenfutter, das in Zahras Küche aus dem Fernsehkasten quillt. Für Yusufs Coming of Age, das der Filmtitel «Süt» poetisch mit der Beendigung der Stillzeit andeutet, gibt es keine Musik auf der Tonspur. Geredet wird selten, erstaunlich für eine dichtende Hauptfigur, nur die Landschaft darf sich abwechselnd wuchtig, lieblich und manchmal ziemlich symbolisch in Szene setzen.
Als Zehra ernsthaft mit dem Stationsvorsteher anbandelt und ihrem Sohn der Absprung in die große Welt per Militärdienst misslingt, spitzen sich die bisher enorm ruhig ablaufenden Ereignisse zu. Yusuf verunglückt mit dem Motorrad, begeht fast einen Mord und fängt einen Riesenwels, mit dem er bei seiner Mutter zu spät kommt. Sie rupft bereits die Ente des Stationsvorstehers. Hübsche Bilder, die ein bisschen sehr ernsthaft daherkommen, selbst wenn Yusufs Erwachsenendasein mit einer extrem langen Einstellung in einem Moloch von Bergwerk beginnen soll. (Tr/F/D, 102 Min.; Filmhaus Nürnberg)
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