3/9/2011
Otto Friedrich / Die Furche
Der Milch-Junge
Eigentlich hat Semih Kaplanoglu seine „Yusuf“-Trilogie chronologisch verkehrt realisiert. Letztes Jahr gewann er mit „Bal“ („Honig“,) dem letzten Teil, der die anatolische Kindheit von Yusuf thematisiert, den Goldenen Bären.
Nun kommt – drei Jahre nach der Realisierung – das Mittelstück, über den jungen Yusuf hierzulande ins Kino: „Süt“ („Milch“) ist ein kongenialer Vorgänger des Berlinale-Siegerfilms – genauso still, lang und poetisch: Yusuf ist als Epileptiker untauglich. Und schreibt Gedichte. Als 20-Jähriger gibt Yusuf (großartig: Laiendarsteller Melih Selçuk) den Milchmann in der Gegend der Kleinstadt Tire im ägäischen Hinterland.
Der Vater ist tot (in „Bal“ hat man ja erfahren, warum), die Mutter fristet als Käsemacherin und kleine Milchbäuerin das Dasein. Doch auch im kargen Landstrich keimt das Verlangen nach Liebe einer Witwe und ebensolches des jungen Mannes.
Aber dieser Gegend ist nicht nach Poesie zumute. So wird ein hoffnungsloser Träumer auf die Probe des Lebens gestellt. Einmal mehr ebenso grandioses wie leises Kino aus der gegenwärtigen Türkei. Man hofft, dass bald auch der erste Teil – „Yumurta“ („Ei“) – über den erwachsenen Yusuf zu sehen ist.
Süt
TK 2008. Regie: Semih Kaplanoglu.
Mit Melih Selçuk.
Stadtkino. 102 Min.